Der Projektvorschlag versteht sich als eine Neu-Interpretation des
bestehenden Sulzerareal Werk 1, er ist aus dem dort Vorgefundenen heraus
entstanden. Der Titel „Re-Late, Re-Play, Re-Charge" bezieht sich denn auch
auf die Entwicklung unserer Arbeit und auf den eventuell Jahrzehnte
dauernden Prozess der realen physischen Erneuerung des ganzen Areals. Im
Zentrum unserer Arbeit steht die städtebauliche Neubewertung der Halle
52/54, welche durch die Bildung des Charles-Brown-Platz zum Mittelpunkt und
eigentlichen Scharnier des ganzen Sulzerareals wird. Ein zweiter, wichtiger
Punkt ist die Kultivierung der bestehenden Ränder des Areals, und damit
verbunden die Stärkung des Verhältnis von Rand und Mitte. Und schliesslich
die Weiterentwicklung der L-förmigen Erschliessungen, welche der Struktur
der gegebenen Industriebauten folgend, das Areal Werk 1 in verschieden
grosse Baufelder teilt. Jedes dieser fünf Baufelder steht in klarer
Beziehung zu mindestens einem der denkmalgeschützten Objekte auf dem Areal.
Diese Bauten schaffen denn auch die Verknüpfung zur industriellen Tradition
und geben dem neuen Stadtteil Atmosphäre, Unverwechselbarkeit und Identität.
Ein differenziertes Nutzungsangebot - Wohnungen für verschiedene
Einkommensklassen, Gewerbe und Büroflächen für KMU's wie für Grosskonzerne
und kleine bis mittelgrosse Läden, Studios, Atelier-Wohnungen - sorgen für
Leben im neuen Stadtteil. Zwei Hochhäuser markieren im Dreiklang mit dem
geplanten Dienerbau den Schwerpunkt des Areals.
Charles-Brown-Platz
Der Charles-Brown-Platz bildet, zusammen mit seinem Gegenstück, dem
Katharina-Sulzer-Platz und der dazwischen liegenden „Industriekathedrale,
der Halle 52/54 neu das Zentrum des gesamten Sulzerareals. Der
trichterförmige Platz ist geprägt von der nun freigespielten Westfassade der
Halle 52/54, der Giebelfassade der Halle 1013, und nicht zuletzt auch von
den Schienensträngen und deren Bündelung der im Süden gelegenen
Drehscheibe. Im Gegensatz zum leeren, monumentalen Katharina Sulzer Platz
soll ein raumgreifendes Artefakt den Charles Brown Platz voll, informell und
lebendig erscheinen lassen. Angrenzende Cafes, Restaurants und Läden sorgen
zusätzlich für ein urbanes Ambiente.
Gebäude am Platz
Das „Gebäude am Platz" liegt gegenüber der Halle 52/54 und bildet die
westliche Längsfront des Charles-Brown-Platzes. Das sechsgeschossige
Bürogebäude ist um einen zentralen Hof angelegt, der im Erdgeschoss
überdeckt, auch grösseren Einkaufsläden und Gastonomiebetrieben Platz
bietet. Durch seine zentrale Lage wird das mehrseitig orientierte „Gebäude
am Platz" zum Dreh- und Angelpunkt des ganzen Areals. An der süd-westlichen
Ecke bietet ein 12-geschossiger Hochhausteil Platz für attraktive Wohnungen.
Halle 1013
Die Halle 1013 soll „Schauwerkstatt" werden. In der denkmalgeschützten
Halle werden historische Lokomotiven in Fronarbeit renoviert und fit
gehalten. Der Verein „Freunde alter Lokomotiven" kümmert sich um sie. Ein
öffentlicher Durchgang zwischen Zürcherstrasse und dem Charles-Brown-Platz
führt entlang der Halle und ermöglicht Einblicke in die „Schauwerkstatt".
Die dortige Glasfront wird zum Schaufenster für Bahngeschichte. So bleibt
das geschützte Gebäude weiterhin als Werkhalle original genutzt, ebenso das
Drehkreuz und die Schienenanlage. Die Attraktivität der Lokomotiven
wird Teil der Identität auch des neuen Stadtteils sein.
Zürcherstrasse Ost
Die zweigeschossige, denkmalgeschützte Fassade entlang der Zürcherstrasse
wird zur Frontfassade, das seitlich angeordnete Portal zum Eingang des
dahinter liegenden, neuen Bürogebäudes. Belichtet wird das längs an die
Halle 1013 angebaute, viergeschossige Gebäude über einen Lichthof. Entlang
dem Durchgang zum Charles Brown Platz sind im Erdgeschoss Ladenlokale und
Gastrobetriebe vorgesehen. Im hinteren Teil ergänzen Werkstattkojen das
Raumprogramm der „Schauwerkstatt".
Zürcherstrasse West
Ein grosser, mehrteiliger Gebäudekomplex bildet den nordwestlichen
Abschluss des Areals. Der Zugang von der Zürcherstrasse aus ermöglicht
prominente Erschliessungen. Zwei unterschiedlich grosse Höfe organisieren
das Gebäude. Die denkmalgeschützte Shedfassade entlang der Zürcherstrasse
formuliert den Eingangshof und schafft eine gedeckte Fussgängerverbindung
zwischen den Gebäudeteilen und dem öffentlichen Fussweg entlang der Halle
1013. Der fünfgeschossige Gebäudekomplex bildet beste Voraussetzungen für
ein prominentes Verwaltungsgebäude, kann aber auch als attraktives
Wohngebäude genutzt werden. Im leicht zurückversetzten, elfgeschossigen
Hochhaus sind luxuriöse Wohnungen vorgesehen.
Jägerstrasse
Die bestehende Gebäudezeile entlang der Jägerstrasse wird erhalten oder
durch vergleichbare Neubauten ersetzt. Sie formuliert den dortigen Rand des
Areals und schafft den Übergang zu den zweigeschossigen Wohnhäusern auf der
anderen Seite der Jägerstrasse. Die Gebäude werden weiterhin als kleine
Werkstätten, Ladenlokale oder Wohnatelliers genutzt. Zu gegebener Zeit soll
dort auch die neue Heizzentrale erstellt werden.
Wohngebäude an der „Fabrikgasse"
Das um einen zentralen Hof organisierte Wohngebäude bietet Raum für
Familien mittlerer Einkommensklassen. Einzig im Erdgeschoss sind
Wohnateliers, zumietbare Arbeitsräume und kleine Ladenlokale untergebracht.
Der grosse, begrünte Hof dient vorwiegend den dortigen Bewohnern, ist aber
gegen die „Fabrikgasse" offen und wird durch einen öffentlichen Weg
durchkreuzt.
Heizzentrale
Die bestehende Heizzentrale am Rande des geplanten Charles-Brown-Platz kann
solange erhalten bleiben wie erforderlich, denn die neue Heizzentrale ist
als Ersatzbau in der Gebäudezeile entlang der Jägerstrasse vorgesehen. Die
neue Heizzentrale liegt an der bestehenden Haupterschliessung und ist mit
Lastwagen optimal erreichbar.
Erschliessung, Wegnetz, Verkehr
Die Erschliessung des Areals durch Motorfahrzeuge erfolg ausschliesslich
von der Jägerstrasse aus. In die Gebäude integrierte Autorampen führen zu
den Parkanlagen in den Untergeschossen. Eine unterirdische Strasse verbindet
die nördlichen Parkgaragen miteinander. Bei der vorzeitigen Entwicklung des
Baufeldes Zürcherstrasse Ost oder des Dienerbaus ist eine provisorische
Zufahrtsrampe erforderlich. Anlieferung von kleineren Läden und
Gastrobetrieben sind über die öffentlichen Räume möglich. Auf den Strassen
und Plätzen ist eine Trennung von Fahr- und Gehbereichen nicht vorgesehen.
Ein attraktives Wegnetz führt durch verschiedenartige Höfe und verbindet die
Strassen und Plätze des Areals mit der übrigen Stadt.
Nutzungsverteilung
Unser Projektvorschlag sieht eine minimale Wohnnutzung von ca. 25% vor.
Darin enthalten sind die grosse Wohnanlage an der Fabrikgasse sowie die
beiden Hochhäuser. Mit einer Wohnnutzung an der Zürcherstrasse West könnte
allerdings der Wohnanteil des ganzen Areals auf 48% erhöht werden.
Freiraumkonzept
Neue, einprägsame und identitätsstiftende Aussenräumen ergänzen und
erweitern die im Kontext bereits vorhandenen Freiräume. Kernstück bildet
dabei der Charles-Brown-Platz, der über die Halle 52-54 in Verbund mit dem
monumentalen Katharina-Sulzer-Platz steht. Im Zusammenspiel entsteht der
bedeutsamste Freiraum innerhalb des Sulzerareals.
Harte Oberflächen betonen die industrielle Prägung der Plätze, Strassen-
und Gassenräume im öffentlichen Bereich, die privateren Innenwelten der Höfe
passen sich den unterschiedlichen Nutzungen an. Die Schaffung von
unverwechselbaren Orten mit eigenen Identitäten steht im Vordergrund.
Charles-Brown-Platz: Er soll eine eigene Monumentalität entwickeln und dem
Katharina-Sulzer-Platz Paroli bieten. Als Gegenpol soll er dicht, voll,
vielschichtig, raumgreifend, pulsierend werden und Dinge bieten, die der
Katharina-Sulzer-Platz nicht leisten kann und nicht leisten muss. Die
Struktur dafür, respektive das „Objekt" soll im Spannungsfeld von Kunst,
Architektur und Landschaftsarchitektur im Rahmen eines Wettbewerbverfahrens
gefunden werden, unter Integration der Drehscheibe und Erhalt von
Geleisen.
Die Abfolge von weiteren, beiläufiger ausgebildeten Freiräumen bildet ein
attraktives Netz. Es entstehen Orte wie der Platz mit dem luftigen
Baum-Carré, wo auch ein Aussencafé sein kann. Oder die Baumreihe entlang der
Aussenräume zu Wohnungen, die auch den breiten Zwischenraum zum Technopark
prägen. Die engen Aussenräume des äusseren Ringes und auch die Zugänge zum
Areal zeigen sich offen und baumlos.
Die Durchgängigkeit des Areals zeichnet sich durch schlüssige Anbindungen
und attraktive Verbindungen aus. Die Aussenräume sind weitgehend als
Begegnungsräume ohne Trennung von Fahr- und Gehbereichen angelegt.
Thesen zur städtebaulichen Entwicklung des Sulzerareal Werk1
1. Ein urbanes Zentrum schaffen
Beobachtung:
Drei Elemente charakterisieren das Sulzer-Areal und das Areal Werk 1: die
Nachbarschaft zur Altstadt, die Nähe zum Bahnhof - und damit zum Grossraum
Zürich - und die grossen Gebäudekomplexe mit ihrer hohen Ausnützung.
Folgerungen:
Die drei Elemente eröffnen Winterthur auf dem Areal Werk 1 eine einmalige
städtebauliche Chance, das Zentrum zu stärken. Die Verbindung von
unterschiedlichsten Wohnformen, Büro-, Atelier- und Verkaufseinrichtungen
und markanten öffentliche Räumen schafft eine zeitgemässe Form von urbaner
Dichte. Bestehende Industriebauten tragen zu einer unverwechselbaren
Identität bei. Die Halle 52-54 wird zum Zentrum und zur Ikone des ganzen
Sulzer-Areals.
2. Städtebauliche Differenz aktualisieren
Beobachtung:
Sulzer-Areal und Altstadt bilden in ihrem Massstab, ihrer Körnigkeit, ihrer
Dichte und ihren Grossformen die Ausnahmen in der locker besiedelten
„Gartenstadt" Winterthur. Diese Differenz gilt es bei der anstehenden
Transformation im Sulzer Areal zu erhalten und zu aktualisieren. Damit
verdoppelt sich das Zentrum der Stadt, indem es städtebaulich das Areal an
die Altstadt anschliesst.
Folgerungen:
Grossformen des bestehenden Industriebaus setzen die Orientierung bei der
Bestimmung der künftigen Baukuben von morgen.
Mit der Strategie der Grossformen lässt sich mit dem Charles-Brown-Platz
ein Ort im Sulzer-Areal schaffen, der im Zusammenspiel mit der Halle 52-54
zum Schwerpunkt des neuen Gebiets wird.
Die harten Oberflächen des Areals sollen erhalten werden und den Charakter
der neuen öffentlichen Räume prägen.
Neue Hochpunkte machen die Verdichtung des Areals gegen aussen
sichtbar.
3. Identität aus dem Ort entwickeln
Beobachtung:
Die heutige Bebauung ist am Rande durch niedrigere Gebäude geprägt, während
grosse Industriehallen das Innere des Areals bestimmen. Das Areal weist eine
Reihe denkmalpflegerisch wertvoller Gebäude auf. Die geschützten Bauten am
Rande verbinden sich mit einem System historischer Aussenräume.
Folgerungen:
Die Ränder werden gestärkt, während die öffentlichen Räume und Verkehrswege
in die Tiefe des Areals vordringen.
Diese Schichtung Rand/Mitte erlaubt die Optionen hoher Dichte zu nutzen und
gleichzeitig einen plausiblen Übergang in die umliegenden Quartiere zu
schaffen.
Die Bebauung im Innern setzt die Tradition der grossen Baukörper fort.
Dadurch entstehen im Herzen des Areals neue öffentliche Räume mit
Zentrumsfunktionen, während die Randzonen angemessene Übergänge zur Umgebung
bilden.
Industriegeschichtlich wertvolle Bauten treten in den Dialog mit neuen
Architekturen. Sie tragen zur Schaffung klarer Adressen bei.
Ein Wegnetz durch die grossen Baufelder eröffnet differenzierte
Aussenraumfolgen.
Die Halle 52-54 wird zu einem Scharnier im System des öffentlichen Raums,
das den Katharina Sulzer-Platz und den neuen Charles-Brown-Platz mit
einander verbindet.
4. Transformation lenken
Beobachtung:
Der vorhandene Massstab, das bauliche Erbe und die orthogonale Struktur des
Areals bieten die Möglichkeit, den Transformationsprozess zu lenken.
Folgerungen:
Mit wenigen Eingriffen kann die bestehende Bebauung in plausibel
dimensionierte Baufelder überführt werden.
Die geschickte Verwendung der gegebenen Bebauungsstruktur ermöglicht eine
schrittweise Erneuerung.
Jeder Anfangsschritt schafft eine prägnante städtebauliche Einheit.
Der neue Charakter des Areals wird mit jedem Schritt sichtbar und die
unverwechselbare Verbindung von Alt und Neu konkretisiert sich
kontinuierlich.